Zum Netzwerk handwerklicher Kachelofenbau, das als Gutes Praxisbeispiel in das Immaterielle Kulturerbe aufgenommen wird, gehört das Ofenmuseum in Velten (Oberhavel). Dort gibt es dann am Freitag ein Ofen-Festival, bei dem die Besucher den Ofenbau live erleben können.
Der Alte Fritz brachte die Leute zum Ton-Tüfteln
„Essen und Wärme sind die Grundbedürfnisse des Menschen“, sagt die Leiterin des Ofenmuseums Velten, Nicole Seydewitz, zur kulturellen Bedeutung des Kachelofenbaus. Dem preußischen König Friedrich der Große haben die Deutschen nicht nur die Verbreitung der Kartoffel als Grundnahrungsmittel zu verdanken, sondern auch eine warme Stube: Nach dem „Kartoffelbefehl“ im Kampf gegen Hungersnöte im Jahr 1756 habe Friedrich II. sieben Jahre später einen Wettbewerb für effiziente Kachelöfen ausgeschrieben, berichtet Seydewitz. Handwerker tüftelten an Kacheln, Zügen und Kaminen und der Ofen mit der größten Wärmeausbeute wurde gebaut.
Auf der Suche „nach einem Stubenofen, so am wenigsten Holtz verzehret“, lautete der Auftrag zum königlichen Wettbewerb im Jahr 1763. So wurde vom Alten Fritz die märkische Tradition des Kachelofenbaus neu begründet, der im 12. und 13. Jahrhundert nach und nach das offene Feuer als Wärmequelle in den Wohnstuben und Palästen abgelöst hatte. Wie Nahrung sei damals auch schon das Holz in den märkischen Wäldern knapp geworden, erläutert der Vorsitzende des Museums-Fördervereins, Udo Arndt. „Auch der Torf wurde langsam knapp – eine Energiekrise.“
In der Region um das damals kleine Dorf Velten wurden Anfang des 19. Jahrhunderts große Felder mit Ton entdeckt, der für den Ofenbau besonders gut geeignet war. 1835 wurde die erste Kachelofenfabrik gegründet und die Branche machte das Dorf Velten in einem halben Jahrhundert zu Deutschlands größter Ofen-Stadt. Zur Blütezeit 1905, dem Gründungsjahr des Ofenmuseums, rauchten 162 Schornsteine in 36 Fabriken zur Herstellung der Ofenkacheln.
„Ohne die Kacheln aus Velten hätte Berlin nicht so wachsen können“, sagt Arndt. Pro Jahr lieferten die 36 Veltener Werke Kacheln für 100.000 Berliner Öfen. Zuerst mit Trecks von Pferdefuhrwerken, die dreimal wöchentlich mit Kacheln in die Metropole gefahren seien, berichtet Seydewitz.
Später wurden die Kacheln auch mit der Bahn und über einen Stichkanal zur Havel mit Schiffen nach Berlin und in die weite Welt gebracht und dort von Ofensetzern verbaut. „Man kann pro Ofen 80 bis 100 Kacheln ansetzen – die Produktion aus Velten betrug dann jährlich acht bis zehn Millionen Kacheln“, rechnet die Museumsleiterin vor. Velten wuchs so zur bedeutendsten Stadt für den Ofenbau in Deutschland.
Aus Sicht des Vereins 850 Grad, der sich der Förderung der handwerklichen Grundöfen verschrieben hat, ist diese Wärmequelle wieder aktuell notwendig und nutzbar. Die Entwicklung des Grundofens sei über die Zeit weiter vorangetrieben worden, sagt der Vereins-Vorsitzende Thomas Zander. „Grundöfen von heute sind moderne, emissionsarme Feuerstätten“, betont er. „Der Grund- oder Kachelofen hat ein enormes Potenzial, ressourcenschonend und sparsam zu heizen.“ Die Speicherfähigkeit der Öfen mache die alte Handwerkstradition wieder zukunftsfähig. „Die alte Schamotte ist ein moderner Speicher, der hilft, bei der Ressource Holz zu sparen“, erläutert Zander.
Der Name des Vereins bezieht sich auf die Ideal-Temperatur beim Abbrand in einem Grundofen. Der Verein betreibt mit dem Deutschen Biomasseforschungszentrum Studien zum Nachweis der besonderen Effizienz von Grundöfen. Nach Erhebungen des Vereins gibt es in Deutschland schätzungsweise nur noch rund 400.000 dieser Öfen.
Auch aus Sicht des Brandenburger Landesverbands des Schornsteinfegerhandwerks ist ein Grundofen eine empfehlenswerte Wärmequelle. „Die Schamottsteine speichern die Energie und geben bis zu 24 Stunden Wärme ab“, sagt Innungssprecher Hartmut Mewes. „Wenn man dort nur die Regelbrennstoffe Holz und Briketts verfeuert, gibt es auch nur wenig schädliche Emissionen“, bestätigt er. Problematisch werde es nur, wenn Nutzer in den Öfen ihren Müll verfeuerten. „Nach der Wende haben viele ihren Kachelofen zugunsten einer Gasheizung rausgerissen – und etliche Kunden bedauern dies nun“, meint Mewes.
Das Veltener Ofenmuseum hat seinen Platz in der denkmalgeschützten Ofenfabrik A. Schmidt Lehmann & Co, in der noch bis 2016 Kacheln für Öfen produziert wurden. Die Modellwerkstatt der Kachelbauer in der ersten Etage sieht noch so aus, wie sie vor sieben Jahren verlassen wurde: Kacheln und Werkzeuge liegen kreuz und quer auf den Tischen, als ob die Modelleure den Raum gerade verlassen hätten. Und dies solle auch genau so bleiben, um den Besuchern einen authentischen Eindruck von der Arbeit der „Kachelbäcker“ („Pötter“) zu vermitteln, sagt Seydewitz.
Im Erdgeschoss der ehemaligen Fabrik können Besucher Ofensetzern bei der Arbeit zusehen, dort sind auch noch die Brennkammern, in denen die Kacheln gebrannt wurden. Und in der obersten Etage sind in einer Ausstellung eine große Zahl von Kachelöfen versammelt: Etwa der typische Berliner Ofen, ein Keiser-Ofen aus der Schweiz und ein runder Kachelofen, den die Keramik-Künstlerin Hedwig Bollhagen gestaltet hat. Auch ein Kachelherd ist zu sehen oder ein Stubenofen mit Wärmefach, in denen etwa Bratäpfel gebacken wurden. Am 30. Juni steigt im Museum ein Ofen-Festival, bei dem die Besucher den Ofenbau live erleben können.
Neben dem Veltener Kachelofen werden auch die Spreewaldkähne in das Kulturerbe aufgenommen. Bei einer Festveranstaltung am kommenden Donnerstag in Potsdam, bei der auch noch elf weitere deutsche Preisträger der Alltagskultur in das Kulturerbe aufgenommen werden, will auch Kulturministerin Manja Schüle (SPD) sprechen.
Das immaterielle Kulturerbe repräsentiert nach Angaben des Brandenburger Kulturministeriums lebendige Alltagskultur, die über Generationen weitergegeben werde. Dazu zählten Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Bräuche und Feste sowie Naturheilkunde und Handwerkstechniken. In dem bundesweiten Verzeichnis gibt es mit den Neuaufnahmen dann 144 Einträge, darunter 6 aus Brandenburg.
MAZ